Helmut Heinze
1994 erhielt Thomas Jastram von der »Akademie des Beaux Arts« in Paris den Preis des internationalen Paul-Louis- Weiller-Porträtwettbewerbes für sein »Porträt einer jungen Frau« (»Porträt H. N.«). Die Arbeit am Porträt ist ein
Zentrum seines bildhauerischen Schaffens. Ich kann mich erinnern, daß er in der Zeit seines Studiums in meiner Klasse ein Porträt nach dem anderen machte und dadurch richtig in Schwung kam. Oft bat er mich in den Abendstunden zur Korrektur in seine Studentenbude in der Rothenburger Straße der Dresdner Neustadt. Tagsüber hatten die Modelle oft keine Zeit. Dort standen meist mehrere begonnene Porträts in Ton. Er suchte beim Porträtieren zuerst die Ähnlichkeit des Volumens bei der Anlage, er ging immer aufs Ganze, suchte die umfassende rundplastische Form, danach erst die Details, die kleinen Maße, wie Nase, Mund, Auge. Fast steckt für ihn die Form bereits im Volumen des besonderen Kopfes, er tut nicht soviel mehr dazu. »Ich weiß«, so schrieb er mir in einem Brief, »daß vieles vielleicht
noch nicht immer die ornamentale Kraft gesteigerter Natur hat, glaube aber auch, daß man da behutsam sein muß, um nicht das Leben aus der Plastik zu steigern.«. In den räumlichen Konturen, den Schnitten und Winkeln des Kopf-
Volumens sucht er das Maßwerk des Porträts mit den Details gleich in der Anlage von dem Modell zu erfassen, immer bedacht, die Ähnlichkeit und die feine Ausstrahlung, das Psychische des Modells im Ton auszudrücken. Auch zur Figur kommt Thomas Jastram über das Porträt. Eine Tagebucheintragung von Gerhard Marcks aus dem Jahre 1927 kennt er sehr genau: »2 große Gruppen: Frau Mädchen; Mann Jüngling; Idealtypen, wie die Griechen hatten, besitzen wir nicht. Man muß Müller und Schultze machen und den ewigen Funken in ihnen sehen«.*) 1986/1987 entsteht nach seinem Sohn Benjamin der »Stehende Knabenakt« mit der besonderen individuellen knabenhaften Körperlichkeit. Er sucht im Allgemeinen der wiederkehrenden Partitur des menschlichen Körperbaus das Individuelle, das Einmalige und Besondere. Auch bei seinen Tierplastiken sucht er das Porträt. Für seine große Bronzeplastik in Pomellen »Großer Reiter« hatte er das Pferd »Casio« im Atelier als Modell. Im Gesetz des Körperbaus sucht er die individuellen Variationen, in der Ordnung der Natur das plastische Wunder des Menschen und des Tieres. Das ist das Kernstück seiner bildhauerischen Arbeit.
*) in: Gerhard Marcks 1889 - 1981. Retrospektive. Hirmer Verlag München, 1989, S. 151 (Martina Rudloff: »Im Schein ist alle Wahrheit«. Gedanken zur Thüringer Venus.)
Helmut Heinze
Jahrgang 1932, Prof. em., Bildhauer, lebt in Gambsen bei Dresden, lehrte von 1974 bis 1994 an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden
Jahrgang 1932, Prof. em., Bildhauer, lebt in Gambsen bei Dresden, lehrte von 1974 bis 1994 an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden